audiotranskription Hintergrund

KI in der interpretativen qualitativen Forschung

Die hybride Interpretationsgruppe

Im Dialog mit 3 KIs

Die hybride Interpretationsgruppe ist ein neuer Ansatz zur Integration von KI in die interpretative qualitative Forschung – Krähnke, Dresing, Pehl (in Vorbereitung). Sie ermöglicht einen Erkenntnis evozierenden Dialog zwischen mehreren KI (Large Language Models / LLMs) und der forschenden Person, mit dem Ziel einer tiefgründigen und nachvollziehbaren Textdeutung. Dieser Artikel beschreibt die praktische Umsetzung dieser Idee, die weitgehend kostenfrei via Browser umgesetzt werden kann. (Stand 18.09.2024)

Es geht besser als mit ChatGPT alleine

Bisher weit verbreitete Ansätze zur Nutzung von KI in der qualitativen Sozialforschung, wie etwa die Verwendung von ChatGPT, liefern oft nur oberflächliche Ergebnisse (Stichwort “mach mal eine Zusammenfassung”). Darüber hinaus werden Strategien der elaborierten Eingabe an das LLM (prompt engineering) verfolgt, welche jedoch eine hohe Entwicklungskompetenz erfordern. Dennoch sind automatisch generierte Interpretationen durch einzelne Prompts zumeist nicht besonders differenziert.

Doch es geht besser: Mit der hier beschreibenen hybriden Interpretationsgruppe haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir qualitativ hochwertige und differenzierte Analyen mit KI durchführen können. Wir sind selbst immer wieder überrascht und begeistert von der Tiefe und Differenziertheit der Interpretationsvorschläge. Das weckt in uns die Lust am Analysieren und Interpretieren immer wieder neu.

Hier beschreiben wir, die Merkmale des Ansatzes und wie ihn alle Interessierten – auch mit kostenfrei zugänglichen Tools  – ausprobieren können.

6 Gründe, die diesen Ansatz so besonders machen

Die hybride Interpretationsgruppe mit dialogisch-moderierten LLMs

1. Simulierung authentischer Interpretationsgruppe statt direktionales Prompting

Der Ansatz reduziert die Notwendigkeit elaborierter Prompt-Gestaltung und ermöglicht stattdessen eine natürliche Diskussionssprache im Umgang mit KI. Dies macht die Methode zugänglicher und weniger technisch anspruchsvoll.

2. Multiple KI-Modelle

Drei verschiedene LLMs (aktuell ChatGPT-4o, Claude 3.5 Sonnet und Gemini 1.5 pro) werden zusammen in den Forschungsprozess eingebunden. Untersuchungen zeigen, dass die Verschränkung verschiedener LLMs zu einer Verbesserung der Qualität des Outputs jeder einzelnen LLM führt. Dies steigert die Gesamtqualität der Analyse signifikant. Diese Varianz erhöht die Perspektivenvielfalt bedingt durch die unterschiedlichen “Bias” der beteiligten LLMs. Die Konfrontation mit verschiedenen Sichtweisen regt die Modelle zu differenzierteren Antworten und gegenseitiger Bezugnahme an, was zu einer Qualitätsverbesserung führt. 

3. Agency bleibt beim Forschenden durch aktive Moderationsrolle

Die forschende Person nimmt eine orchestrierende Rolle als Moderator*in ein und bleibt aktiv am Interpretationsprozess beteiligt. Sie setzt sich kritisch mit den Interpretationsangeboten auseinander, stellt gezielte Fragen, gibt Anweisungen und reflektiert die Beiträge der KI-Modelle. Durch diese aktive Steuerung wird sichergestellt, dass die Analyse zielgerichtet und dem Forschungsinteresse entsprechend verläuft. 

4. Iterativer Dialog zwischen LLM und Forschenden

Die Analyse erfolgt in mehreren Runden, wobei jede Runde den Stil einer lebendigen Gruppendiskussion nachahmt. Die KI-Modelle werden mit den Antworten der anderen LLMs und den Einschätzungen der forschenden Person konfrontiert. Dieser Prozess fordert die Modelle dazu auf, ihre Analysen zu vertiefen, differenzierter zu argumentieren und ihre Positionen stärker zu begründen. Durch diese iterative Vorgehensweise entsteht eine zunehmend verfeinerte und vielschichtige Interpretation des Untersuchungsmaterials.

5. Dokumentation zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit

Durch die vollständige Dokumentation des Prozesses wird die oft kritisierte “Black Box”-Problematik bei der KI-Nutzung adressiert. Dies ermöglicht eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Interpretation und macht die individuelle Arbeitsleistung der Forschenden im Rahmen der Orchestrierung des Arbeitsprozesses deutlich. Die Auseinandersetzung des Forschenden mit den verschiedenen Interpretationsansätzen wird transparent dokumentiert. Sie kann hinsichtlich Plausibilität und Güte nachvollzogen und eingeschätzt werden, was die Validität der Forschung erhöht.

6. Didaktisierung qualitativer Methoden durch niedrigschwellige Praxiserfahrung

Man kann Studierende mit diesem Format ins kalte Wasser werfen. Damit können sie erste Erfahrungen mit qualitativer Interpretation praxisnah sammeln. Die in die Interpretationsgruppe integrierten LLMs fungieren als eine Art Sparring-Partner für die Interpretationsarbeit.

Die hybride Interpretationsgruppe unterstützt Studierende und Forschende dabei, verschiedene Perspektiven der Textinterpretation kennenzulernen, anzuwenden und kritisch zu bewerten. Sie erhalten nicht einfach ein fertiges Ergebnis oder einen vorcodierten Text.

Durch die aktive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Interpretationsansätzen werden sie dazu angeregt, eigene, fundiert begründete Positionen zu entwickeln. Dieser Prozess fördert nicht nur das analytische Denken, sondern auch die Fähigkeit, komplexe Interpretationen zu synthetisieren und zu evaluieren.

Überblick zum Ablauf

Zunächst richtet die nutzende Person (zum Teil) kostenfreie Accounts bei allen drei LLMs ein und wählt einen kurzen, nicht DSGVO-relevanten Textauszug aus. Eine einfache, offene Startfrage an die KI-Interpretationsgruppe wird formuliert, um den Analyseprozess zu initiieren.

Im ersten Analysedurchgang untersuchen die drei LLMs den Text aus verschiedenen Blickwinkeln. Die forschende Person reflektiert anschließend die Ergebnisse und leitet daraus den weiteren Verlauf ab. Es folgen mehrere iterative Diskussionsrunden, in denen die LLMs und die forschende Person die Interpretationen vertiefen und diskutieren. Dieser Prozess wird durch Zwischenkommentare und Reflexionen der nutzenden Person gesteuert, bis diese den Abschluss der Analyse bestimmt.

Der gesamte Diskussionsverlauf wird sorgfältig in einem f4-Projekt dokumentiert, strukturiert und kommentiert. Die forschende Person identifiziert dabei zentrale Aspekte und entwickelt eine eigene Deutungsperspektive. Zum Abschluss wird ein Fazit erstellt, das die entwickelte Interpretation zusammenfasst. Um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wird der gesamte Prozess als Word, PDF oder HTML-Datei exportiert.

Von kostenfrei bis 60€ pro Monat

Wir haben nachfolgende drei LLM ausgewählt. Mit diesen haben wir bei unseren Testläufen die mit Abstand besten Erfahrungen im Sinne einer ansprechenden Qualität der Interpretationsvorschläge gemacht. Für die Nutzung dieser benötigt jede Person einen eigenen, zunächst kostenfreien Account. Sie können dafür einfach die Links anklicken und sich registrieren.

  • Googles Gemini: Bietet Neukund*innen eine vierwöchige kostenlose Testphase, nach deren Ablauf eine monatliche Gebühr von etwa 20 Euro anfällt. Also ggf. rechtzeitig wieder kündigen!
  • OpenAIs ChatGPT: Stellt allen Nutzenden kostenlos das GPT-4-mini Modell in begrenztem Nutzungsumfang zur Verfügung. Das kostenpflichtige Modell für rund 20 Euro monatlich liefert aus unserer Erfahrung keinen signifikanten Mehrwert für die Interpretationen.
  • Anthropics Claude: Ermöglicht ebenfalls eine kostenlose Nutzung, die jedoch auf ein bestimmtes Volumen an Text innerhalb eines 5-Stunden-Zeitraums begrenzt ist. Bei Überschreitung dieses Limits wird der Dienst bis zum nächsten Zeitfenster gesperrt. Für eine erweiterte Nutzung fallen auch hier etwa 20 Euro pro Monat an
  • Alternativ: Als Ersatz für z.B. Gemini kann auch LLAMA 3.1 über HuggingFace kostenfrei genutzt werden. Dieses LLM haben wir nicht intensiv ausgetestet, aber im ersten Eindruck ist es sehr gut geeignet für die Interpretationsgruppe.

Die vollumfängliche Nutzung aller drei LLMs kann demnach mit Kosten von bis zu 60 Euro pro Monat verbunden sein. Dies ist für einen Testlauf im Rahmen einer Lehrveranstaltung oder die moderate Nutzung zum Glück nicht nötig.

Kostenfreie Nutzung

Um komplett kostenfrei zu arbeiten, nutze Claude und ChatGPT in den beschränkten, aber kostenfreien Versionen und Gemini im Probemonat. Das bedeutet, dass du Gemini nur maximal 4 Wochen und Claude innerhalb dieser Zeit nur eingeschränkt nutzen kannst.

Claude beschränkt leider in der kostenfreien Version die Textmenge, die innerhalb von 5 Stunden bearbeitet und ausgegeben werden kann. Diese ist schon bei wenigen Analysedurchgängen erreicht, da Claude nicht nur die Ausgabe, sondern auch Eingabewortmenge zählt. Du musst dich so organisieren, dass du jeweils ein oder zwei Analysedurchgänge innerhalb von 5 Stunden Zeitfenstern durchführst. Kündige Googles Gemini dann wieder rechtzeitig. Auch ChatGPT hat eine Mengenobergrenze, die aber nicht so schnell erreicht wird.

Kürzere Analysetextsequenzen und kürzere LLM-Antworten ermöglichen mehr Iterationen. Die Optimierung durch Einschränkung der Antwortlänge (im Startprompt) reduziert die Gesamttextmenge deutlich. Allerdings sind längere Antworten oft besser argumentiert. Dies gilt es abzuwägen.

Datenschutz!

Die Umsetzung dieses Arbeitsvorschlags ist noch nicht DSGVO-konform, da alle Daten zu den jeweiligen Anbietenden außerhalb des Geltungsbereiches der DSGVO übertragen werden. Nutze daher kein datenschutzrechtlich kritisches Material, das personenbezogene Daten beinhaltet. Verwende stattdessen Auszüge aus öffentlich verfügbaren Daten, simulierten Daten oder Daten, für die eine explizite schriftliche Einwilligung für diese Nutzung vorliegt.

Wie geht es genau?

Umsetzung der hybriden Interpretationsgruppe mit f4

Vorbereitung LLM

  1. Registriere dich für jedes der drei LLM (sofern du noch keinen Account dort hast)
  2. Öffne die drei LLMs in separaten Browserfenstern und logge dich dort ein

Vorbereitung in f4

  1. Lade und installiere f4
  2. Öffne f4, klicke auf das erste Symbol (die drei Striche) und gehe auf Einstellungen.
  3. Klicke auf den Punkt Hotkeys. Scrolle runter bis zum Punkt “Text und Suche” Unterpunkt “Kopieren mit Quellenangabe” und ändere dies auf “Strg-Umschalt-C” bzw. “Cmd+Umschalt+C”, damit nachher das mit dem copy und paste auch gut klappt! 
  4. Lade das vorgefertigte f4-Projekt “KI-Interpretationsgruppe-Vorlage” und öffne es in f4. Das vorgefertigte Projekt enthält bereits:
    • Drei Texte namens “Prompts..” mit den benötigten, leicht unterschiedlichen Prompts für jedes LLM
    • Einen Text “KI-Interpretationsgruppe” mit Platzhaltern für deine Beiträge und Zwischenkommentare nach jeder Runde
    • Vordefinierte Codes und Farben für Gemini, ChatGPT, Claude
  5. Öffne den Text “KI-Interpretationsgruppe” und du wirst folgende Struktur sehen:
    • Mensch: (Füge hier deine Frage und ggf. einen anderen Namen für dich ein)
    • Textmaterial: (Füge hier die zu diskutierende Textstelle ein, maximal einige Sätze, kein ganzes Interview! Achte auf die DSGVO-Konformität: Verwende nur Daten, für die eine explizite Einwilligung vorliegt oder die öffentlich verfügbar sind.)

Alles Material, das in den folgenden Schritten generiert wird, kannst du in diesen Text hinein kopieren, um den weiteren Textverlauf und den gesamten Ablauf zu dokumentiert.

Durchführung der hybriden Interpretationsgruppe

Runde 1

  1. Starte mit Gemini:
    • Markiere den Startprompt für Gemini aus dem Text “Prompt Gemini”. Kopiere ihn mit Strg+C.
    • Füge den Prompt ins Eingabefeld von Gemini ein, ohne ihn schon mit ENTER oder Maus abzusenden! 
    • Markiere dann deine Frage und das Textmaterial aus dem Text “KI-Interpretationsgruppe”, kopiere es ebenso und füge es unter den Prompt bei Gemini ein.
    • Sende den Gesamtprompt jetzt bei Gemini ab und warte auf die Antwort. 
    • Kopiere Gemini’s Antwort mit Strg+C und füge sie in f4 in den Text “KI-Interpretationsgruppe” ganz unten als neuesten Beitrag mit STRG+V ein.
    • Achte darauf, dass alle Absätze mit “Gemini:” beginnen und ergänze dies, falls nötig.
  2. Fahre mit ChatGPT fort:
    • Markiere nacheinander zuerst a) den Startprompt für ChatGPT, b) deine Frage und das Textmaterial und Gemini’s Antwort und füge diese in das Textfeld von chatGPT.
    • Wenn alle Textelemente eingefügt wurden, sende den Befehl ab und warte auf die Antwort.
    • Kopiere ChatGPT’s Antwort zurück in f4 und achte darauf, dass alle neuen Absätze mit “ChatGPT:” beginnen
  3. Schließe mit Claude ab:
    • Markiere jetzt nacheinander zuerst a) den Startprompt für Claude, b) deine Frage und das Textmaterial und Gemini’s UND chatGPT´s Antwort und füge diese nach und nach in das Textfeld von Claude (ohne jeweils nach jedem Einfügen schon ENTER zu drücken oder mit der Maus abzusenden!)
    • Wenn alles drin ist, sende den Befehl ab. Warte auf die Antwort und kopiere diese zurück in den Text in f4. Achte auch hier auf die richtige Benennung der Absätze mit “Claude:”.
  4. Lese alle Antworten der KI und extrahiere das für dich relevante Zwischenergebnis:
    • Jetzt nimm dir etwas Zeit und lese der Reihe nach alle Antworten aufmerksam durch. Nun gilt es deine Folgeaussage zu formulieren, die den nächsten Analysedurchgang initiiert. Schreibe als untersten Absatz in f4 im Text “KI-Interpretationsgruppe” beginnend mit “Mensch:” (oder deinem Namen), was du dir jetzt von den LLM wünschst. Bspw. bittest du um weitere, alternative Deutungen, beschreibst welche Vorschläge du unplausibel findest, welche ergänzende Sichtweise du selbst einbringst, gibst relevante Kontextinformationen, die das Verständnis zur Textstelle erweitern.

Runde 2

  1. Gib Gemini die Antworten der beiden anderen LLM und deine Ergänzungsfrage, indem du diese in f4 markierst, mit STRG+C kopierst und mit STRG+V in das Eingabefeld von Gemini eintragen und dann mit ENTER absendest.
  2. Die neue Antwort kopierst du ebenso wieder zu f4, wie auch schon in der ersten Runde.
  3. Wiederhole das für ChatGPT und Claude. “Achte darauf, dass du immer nur die Beiträge markierst und kopierst, die das jeweilige LLM noch nicht kennt. In der Regel also die Aussagen der anderen beiden LLM und deine Frage.
  4. Nun nimmst du dir wieder etwas Zeit, liest die Antworten der LLMs und schreibst deine Folgefrage in f4 auf. 
  5. Dann geht die dritte Runde wieder mit Gemini los. Wiederhole diesen Prozess so lange, bis sich der Austausch erschöpft hat oder dein Nutzungsvolumen überschritten ist. Wir hatten meist nach 3 Runden bereits erstaunlich differenzierte Einsichten entwickelt. 

Abschluss – Erstelle dein Fazit

Schreibe im gelben Kommentarfeld unter dem Text “KI-Interpretationsgruppe” dein individuelles Gesamtfazit zur Interpretation der Textstelle. Argumentiere, welche und warum du die favorisierte Perspektive wählst und welche anderen du nicht plausibel findest und daher ablehnst.

Exportiere den Diskussionsverlauf und dein Fazit

  • Klicke auf das Exportsymbol in f4 und dann den Unterpunkt „Ansicht als Text”, um den gesamten Diskussionsverlauf der in f4 gerade geöffneten KI-Interpretationsgruppe zusammen mit deinen Zwischenfragen und deinem Fazit als Worddatei zu exportieren. 
  • Alternativ speicherst du den Text als PDF. Klicke im Exportmenü auf “Druckansicht” und dann im sich öffnenden Browserfenster via STRG+P den Druck starten. Jetzt wählst du statt eines physischen Druckers einfach “als PDF speichern” aus.
Happy university students talking with teacher in library. College professor with multiethnic class studying in library. Group of four focused clever students in conversation with senior teacher.

Beispiel

Was durch den Einsatz einer hybriden Interpretationsgruppe erreicht werden kann

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Mehr Informationen

Interviewer: Zum Anfang: Wie lange sind Sie genau schon bei der move2035 hier in Marburg dabei?

Teilnehmer: Das erste Treffen hat im September stattgefunden. Das war ’23. Und seit diesem Punkt sind sie auch ganz aktiv.

Interviewer: Und wie würden Sie Ihre Arbeit umschreiben?

Teilnehmer: Meine Arbeit ist eigentlich die Koordination dieses ganzen Treffens. Und der Versuch, es voranzubringen.

Diese fiktive Passage haben wir in unseren Kursen oft zunächst ohne spezifische Methodik oder Hintergrundwissen diskutiert. Zunächst fallen Menschen meist Inhalte wie Koordination, Treffen, Zeit und Ort auf, sowie Wörter wie “eigentlich” und “Versuch”, die meist als kritische Note gedeutet werden. Meist besteht dann die Auffassung “mehr ist nicht in dem Textabschnitt zu finden”. Während eine inhaltsanalytische Perspektive hiermit zufrieden sein könnte, eröffnet gerade die hermeneutische Interpretation differenzierte Einsichten. Und das gelingt mit unserer hybride Interpretationsgruppe. Im Folgenden zeigen wir zusammenfassend, was jede Runde an Einsichten gebracht hat. Wer es genauer nachvollziehen möchte: der vollständige Gesprächsverlauf ist im f4 Projekt weiter untenenthalten.

Erste Runde

Die LLMs bemerkten, dass der Teilnehmer “sie” statt “wir” verwendet, was als Distanz zur Gruppe gedeutet wurde. Die genaue Erinnerung an den Startzeitpunkt zeigt die Bedeutung dieses Moments. Die Selbstbeschreibung als Koordinator deutet auf eine vermittelnde Rolle hin. Der Ausdruck “Versuch, es voranzubringen” impliziert Herausforderungen oder Widerstände.

Wir fragten uns, warum der Teilnehmer “eigentlich” sagt. Möglicherweise gibt es eine Diskrepanz zwischen offizieller Rolle und tatsächlicher Tätigkeit.

Zweite Runde

Die LLMs vertieften die Analyse und schlugen vor, dass der Teilnehmer zwischen Insider- und Outsider-Rolle schwankt – ein mögliches “professionelles Dilemma”. Das Wort “eigentlich” könnte auf zusätzliche, nicht genannte Aufgaben hinweisen. Als Koordinator hat er vielleicht begrenzte Entscheidungsgewalt, und der “Versuch” zeigt, dass Fortschritt nicht allein von ihm abhängt.

Wir überlegten, wie sich diese Positionierung auf die Effektivität seiner Rolle auswirkt.

Dritte Runde

Die LLMs nuancierten ihre Interpretation weiter. Sie sahen in der Distanz eine Strategie, um professionelle Objektivität zu bewahren, was ihm erlaubt, sowohl die Gruppe zu verstehen als auch sie zu leiten. Sein Engagement trotz Herausforderungen deutet auf intrinsische Motivation hin. Das Bewusstsein über die Grenzen seines Einflusses zeigt sich im Wort “Versuch”.

Unsere schließlich gewählte Deutungsperspektive lautete

Der Teilnehmer bewegt sich in einer komplexen Rollenidentität zwischen professioneller Distanz und persönlichem Engagement für move2035. Die Verwendung von “sie” statt “wir” signalisiert eine bewusste Distanzierung, um Objektivität zu wahren. “Eigentlich” weist auf eine Reflexion über seine Rolle hin, vielleicht gibt es mehr Facetten seiner Tätigkeit als offiziell bekannt. Der “Versuch, es voranzubringen” zeigt sein Engagement, seine intrinsische Motivation, aber auch das Bewusstsein für mögliche Hindernisse. Die genaue Erinnerung an den Startpunkt unterstreicht die persönliche Bedeutung des Projekts für ihn, während seine distanzierte Sprache eine reflektierte Haltung andeutet.

Was hat uns das gebracht?

Anfänglich erkannten wir nur oberflächliche Inhalte: Koordination, Treffen, Zeitangaben und kritische Wörter. Durch die hybride Interpretationsgruppe konnten wir tiefer eintauchen und die komplexe Rollenidentität des Teilnehmers verstehen. Wir entdeckten die Spannung zwischen Nähe und Distanz, die Herausforderungen seiner Position und seine Motivation. Dieser iterative Prozess ermöglichte es uns, aus einer einfachen Aussage ein vielschichtiges Bild zu zeichnen, das ohne diese Methode verborgen geblieben wäre.

Download der f4 Vorlage inkl. Startprompt

Hier kannst du die aktuelle Fassung (11.09.2024) der f4 Projektdatei herunterladen.

Diese enthält die oben beschriebenen Startprompts, welche einfach per copy und paste übernommen werden könne. Achte darauf, in f4 die Einstellung zum “Kopieren ohne Zitation” einzuschalten, das macht das Kopieren einfacher. (siehe Anleitung oben unter “Vorbereitung in f4”).

Schließlich ist ein leerer Text vorbereitet, in dem du die KI Antworten nach und nach einfügst und damit den ganzen Prozess dokumentierst. Die vorbereiteten Codes können genutzt werden, um die Einträge farblich zu markieren.

Außerdem findest du in der Projektdatei eine beispielhafte Umsetzung einer Interpretationsgruppe. An dieser kannst du einen ganzen Diskussionsverlauf zur Analyse einer fiktiven Interviewpassage nachvollziehen.

Methodenanleitung

Lade diesen Text inkl. Anleitung als PDF herunter.

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Special: KI in qualitativer Analyse

Zitation dieses Artikels

Dresing, T., Pehl, T., Krähnke, U. (2024). Die hybride Interpretationsgruppe mit dialogisch-moderierten LLMs: Praxisanleitung zur KI-unterstützten qualitativen Forschung. audiotranskription.de. https://www.audiotranskription.de/hybride-interpretationsgruppe

Literatur

Dieser Blogbeitrag basiert auf dem in Arbeit befindlichen Artikel: Krähnke, U., Dresing, T., Pehl, T. (in Vorbereitung). Die hybride Interpretationsgruppe mit dialogischen-moderierten LLMs. FQS.

weitere Literatur:
Lieder, F. R., & Schäffer, B. (2023). Lehren und Lernen rekonstruktiver Forschungsmethoden mit generativen Sprachmodellen in hybriden Forschungswerkstätten? Journal für Psychologie, 31(2), 131-154.
https://doi.org/10.30820/0942-2285-2023-2-131.
(Dieser Artikel strukturiert und erläutert spezifische Prompts für qualitative Forschung und erwähnt die Idee einer “hybriden Forschungswerkstatt”, die wir mit unserem Ansatz der hybriden Interpretationsgruppe erweitert und konkretisiert haben.)

Klappt das?

Wir sind neugierig auf Deine Erfahrungen mit unserem Vorschlag. Wie gelingt Dir der Diskussionsprozess und wie schätzt Du die Güte der Antworten und den Mehrwert dieses Vorgehens ein? Jede Rückmeldung hilft uns, diesen Ansatz zu verbessern und weiterzuentwickeln. Daher bitten wir Dich herzlich um Deine Einschätzungen per E-Mail oder Telefon.

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